Das Arantal – oder Val d’Aran, wie man hier sagt – liegt im äußersten Westen Kataloniens, an der Grenze zu Frankreich. Hier entspringt die Garonne auf der sagenumwobenen Hochebene Plan de Beret und stürzt sich in wildem Lauf das Val d’Aran hinab, bahnt sich ihren Weg nach Aquitanien, bevor sie schließlich in der Nähe von Bordeaux in den Atlantik mündet.

Während die übrigen katalanischen Pyrenäentäler nach Süden zur Mittelmeerseite ausgerichtet sind, liegt das Arantal nördlich des Hauptkamms der Pyrenäen und neigt sich dem Atlantik zu. Diese geographische Besonderheit hat tiefgreifende Auswirkungen, nicht nur auf Klima, Flora und Fauna des Tals, sondern auch auf seine Sprache und Kultur, die französisch-okzitanisch geprägt sind.

Wege mit Vergangenheit

Die leise raschelnden Blätter auf den Wanderwegen, die der Garonne von Dorf zu Dorf folgen, erzählen vom Herbst des vergangenen Jahres. Über die Jahrtausende alte Geschichte seiner Wege hüllt sich das Tal in Schweigen. Doch es ist höchst wahrscheinlich, dass der Wanderer sich hier auf den Spuren eines alten römischen Camino Real (aran. Camin Reiau) bewegt, eines 2.000-jährigen Weges entlang der Garonne, der das schmale Tal in voller Länge durchquerte. Die Dörfer und Siedlungen des Arantals, die sich entlang des rauschenden Flusses locker verstreut an die Hänge klammern, sind bis heute durch den Camino Real und seine Seitenwege miteinander verbunden.

Über die Gebirgspässe

Über die Gebirgspässe des Val d’Aran zogen über die Jahrhunderte Scharen von Soldaten und Pilgern, von Hirten und Händlern, Schmugglern und Minenarbeitern. Die exponierte Lage im äußersten Norden Spaniens an der Grenze zu Frankreich machte das Tal zu einem häufigen Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen, aber auch zu einem Handelszentrum. Das Val d’Aran war Umschlagplatz für Waren wie Wolle, Öl und Salz aus Spanien, die an okzitanische Händler in Frankreich verkauft wurden. Auf den Herbstmärkten in Frankreich kauften die Aranesen wiederum Maultiere ein, die sie auf spanischer Seite im Frühling verkauften.

Auch die Wege der Hirten haben über die Jahrtausende ihre Spuren in der Landschaft des Val d’Aran hinterlassen. Schon im Jahr 987 ist die „Via Carrale“ dokumentiert, ein Weg, über den das Vieh hinauf zum Hospital de Vielha und ins Val d’Aran getrieben wurde. Bis zu 25.000 Schafe bewegten sich zur damaligen Zeit in diesem Gebiet, das heute vor allem von Wanderern frequentiert wird, die neu angelegten Routen folgen, welche freilich ihrerseits auf den historischen Wegen aufsetzen.

Neue Wege durch das Val d‘Aran

Es gibt keine bessere Möglichkeit das Val d’Aran kennen zu lernen, als diesen Routen zu folgen, die dem Wanderer Schritt für Schritt die atemberaubende Gebirgslandschaft des Val d’Aran, seine ursprüngliche Kultur, seine Geschichte und Geschichten näher bringen.

Camin Reiau und Setau Sageth heißen zwei Fernwanderwege, die auf voller Länge auf aranesischem Gebiet verlaufen, die uralten Dörfer des Tales, seine Kirchen und Kapellen, die schroffen Gipfel, weiten Seen und tiefen Wälder passieren und dabei jene historischen Wege nutzen, deren Ursprünge in ferner Vergangenheit liegen. Für beide Wege gibt es buchbare Angebote, die neben Unterkunft und Verpflegung auch Gepäcktransport beinhalten.

Camin Reiau

Der in zehn Etappen gegliederte Rundweg Camin Reiau verbindet auf 150 km die 33 Dörfer des Val d’Aran und ist laut Aussage seiner Macher für Wanderer jeder Kondition, auch für Familien mit Kindern, geeignet. Technisch unkompliziert, folgt der Weg den Spuren jener alten Hauptverkehrsader des Val d’Aran, die vermutlich bereits aus römischer Zeit stammt. Ausgangspunkt der Tour ist Vielha, Hauptstadt des Val d’Aran und wirtschaftliches und kulturelles Zentrum des Tals.

Von hier aus geht es entlang des linken, schattigen Ufers der Garonne durch tiefe Laubwälder. Die zweite Hälfte des Weges führt entlang der vielen kleinen Dörfer auf der gegenüberliegenden Sonnenseite des Tales. Ricard Novell, der die Route entworfen hat, kennt die Geschichte jeder Wurzel und jedes Steins am Wegesrand, und wenn man ihn bittet, über die Dörfer des Val d’Aran zu erzählen, könnte er Tage am Stück reden, ohne sich zu wiederholen und ohne zu langweilen: von den Traditionen der Araneser, von Spuren der Vergangenheit in Landschaft und Architektur, von tragischen Liebesgeschichten und verwunschenen Wäldern. ...