Tatsächlich reagieren Wärmehaushalt und Haut des Menschen nicht nur auf die Lufttemperatur. Wichtig sind ebenso die Windgeschwindigkeit, die Luftfeuchtigkeit, die Sonnenstrahlung und die Wärmestrahlung der Atmosphäre. Auch der Aktivitätsgrad spielt eine Rolle, also ob wir wandern, radeln, Ski oder Snowboard fahren oder ruhig auf einer Bank sitzen.

Das amerikanische Militär versuchte bereits vor Jahrzehnten im Winter mit Vorhersagen der „Windchill“-Temperatur ihre Soldaten vor Auskühlung und Erfrierungen zu bewahren. Der Windchill berücksichtigt die Windgeschwindigkeit, ist allerdings ausschließlich für die Kälte definiert. In Deutschland kennt man dagegen die „Gefühlte Temperatur“. Sie wurde vom Deutschen Wetterdienst (DWD) eingeführt und funktioniert auch im Sommer. Dabei reicht die Spanne vom extremen Kältestress bis zur extremen Wärmebelastung.

Der Klima-Michel

Die „Gefühlte Temperatur“ wird nicht gemessen, sondern mit Hilfe einer Simulierung, des „Klima-Michel-Modells“ aufwändig berechnet. Eingangsgrößen sind Lufttemperatur, Luftfeuchte, Windgeschwindigkeit und die kurz- und langwellige Strahlung der Sonne sowie der Umgebung. Der „Klima-Michel“ ist gewissermaßen ein virtueller Durchschnittstyp, 35 Jahre alt, 1,75 m groß und 75 kg schwer. Er wandert mit vier Stundenkilometern in der Ebene, produziert dadurch Wärme, die an die Atmosphäre abgegeben wird, und passt sich dem Wetter vernünftig über seine Bekleidung an, um optimale „Behaglichkeit“ zu erreichen. An Kleidung steht ihm das Spektrum zwischen sommerlich, d.h. kurzärmeliges Hemd, leichte lange Hose und Sandalen, und winterlich, einem wollenem Anzug mit Wintermantel, Kopfbedeckung und warmen Schuhen zur Verfügung.

 Das Klima-Michel-Modell setzt man ein für Wettervorhersagen und -Warnungen, bioklimatologische Bewertungen, Stadtklimauntersuchungen, in der Umweltepidemiologie, in der Klimawirkungsforschung usw.

 

Die Wander-Wohlfühltemperatur

Beim Wandern sind übrigens etwa 12°C gerade angenehm, mit Variation der Bekleidung kann man sich leicht an Wind, Sonne oder Schatten anpassen. 23°C und Sonne, dabei höchstens ein leichter Windhauch, bringen einen dagegen schon ins Schwitzen. Ab 30°C und Sonne empfinden wir auch bei sommerlicher Kleidung bereits Wärmestress.


Der Autor:

Gerhard Lux (geb. 1953) studierte Meteorologie, Geophysik und Mathematik in Frankfurt am Main und ist seit 1980 beim Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach beschäftigt. Dort arbeitete er im Vorhersagedienst, als Klima-Gutachter, Key-Accounter sowie als Qualitätsmanager. Zugehörigkeit zu nationalen und internationalen Normenausschüssen. Veröffentlichung zahlreicher Fachartikel über Wetter und Klima. Zur Zeit ist er Pressereferent und Sprecher des DWD. Seine bevorzugten Wandergebiete: Kellerwald und das Wallis/Schweiz