Auf den ersten Blick vielleicht nicht, auf den zweiten und dritten sehr wohl. Schon im 18. Jahrhundert galten die Architekten der phantasievollen englischen Gärten als mindestens genauso große Künstler wie Maler oder Bildhauer.

Und viele Premiumwege des 21. Jahrhunderts erfüllen locker den Tatbestand des Kunstwerks. Ein schöner Pfad wird ersonnen und geschwungen der Landschaft angepasst. Der neue Wanderweg erscheint wie eine Skulptur der Wälder und Felder. Kunstvoller geht es doch nicht mehr.


Da wunderte es mich wenig, als ich von Hamish Fulton hörte. Der britische Künstler betreibt seit 40 Jahren Walking Art, Wanderkunst. Dabei versteht sich Fulton allerdings nicht als Wanderer, der Kunst macht, sondern als Künstler, der wandert. Ich versuche kurz zu beschreiben, woraus Fultons Kunst besteht, wie man sich eines seiner Kunstwerke vorstellen muss.


Fulton wandert, von Küste zu Küste. Durch Großbritannien, Japan und Südamerika, 28 Tage quer durch Spanien von der Südküste bis zur Nordküste, 2838 Kilometer von Bilbao nach Rotterdam. Ganz schön beeindruckend, aber was ist da die Kunst dran, außer vielleicht die Kunst, Blasen zu vermeiden? Von jeder Wanderung fertigt Fulton ein einziges Bild an, eine Fotografie oder eine Schrifttafel, die die Fakten der jeweiligen Wanderung auflistet. Diese Arbeiten hängen dann in Galerien und Museen. Geniale Idee.


Auch im Rheinland war Hamish Fulton schon tätig. In Remagen ist am Rhein das Skulpturenufer zu bewundern. Und dort sehen wir seine Arbeit „Seven Paces“, also sieben Schritte. In der Art der in den Boden eingelassenen Hollywood-Sterne sind dort sieben goldene Füße im Boden durch eine Linie verbunden. Diese Wanderung am Rheinufer ist nicht so lang, geschätzte 5 Meter. Ich hörte außerdem von einer Wander-Perfomance in Anwesenheit des Künstlers. Das ganze fand in Hamburg statt und es musste nach Vorgaben gewandert werden. Jeder Teilnehmer musste sich genau zwei Meter vom Vordermann entfernt aufhalten, Sprechen war verboten und jeder Schritt durfte maximal einen halben Meter lang sein. Eine Augenzeugin berichtete, es sei stinklangweilig gewesen. Wundert natürlich keinen. Aber, aber Herr Fulton, solche künstlerischen Wander-Events könnte man doch viel interessanter gestalten. Und das auch noch im Stile verschiedener kunstgeschichtlicher Bezüge.

Meine Kracher-Vorschläge:

Wie wäre es denn mal mit abstraktem Wandern? Das Wandern findet nur im Kopf statt. Alle „Wanderer“ stehen in der Landschaft herum und trinken dabei „geistige“ Getränke. Das könnte dem Wandern übrigens auch ganz neue Interessenten zuführen.

Eher radikal gestaltet sich das Wandern in der Tradition der Naturalisten. Nudisten praktizieren es schon unter dem Tarnnamen „Nacktwandern“.

Das expressionistische Wandern muss man sich in Anlehnung an Monty Pythons Ministerium der albernen Gangarten vorstellen. Beine vorne hochreißen oder Hacken völlig idiotisch in den eigenen Hintern treten.

Das Wanderstilleben ist eine ganz phantastische Sache. Suchen Sie sich einfach eine wunderschöne Bank mit tollem Weitblick aus und verbringen Sie den ganzen Tag dort. Aber bitte nicht bewegen!

Etwas speziell ist das Wandern im Rokoko-Stil. Natürlich müssten dafür die Hersteller von Outdoor-Bekleidung mitspielen. Wasserabweisende Reifröcke und Perücken aus leichten Materialien wären unverzichtbar.

Man sieht, der Wanderkunst sind keine Grenzen gesetzt. Wandern ist eben eine Kunst.