Das Hobby

Der Kern dieser Kunst, die von der Gruppe mit eingeschworenem Understatement als „das Hobby“ bezeichnet wird, ist die originalgetreue Nachbildung mittelalterlicher Gewandungen, Rüstungen und Handwerkstechniken. Dahinter steckt eine Menge Arbeit: die Quellenrecherche, die Suche nach Materialien und die praktische Umsetzung. Dann der Praxistest, ob die Sachen funktionieren und folglich tatsächlich mittelalterlicher Lebensrealtität entsprechen könnten. „In der Praxis merkst du ganz schnell, ob die Naht am Strumpf tatsächlich so gesessen haben kann und die Schuhsohlen die entsprechende Dicke haben“, sagt Janna und rollt mit den Augen. Ihr letzter Realitätscheck dieser Art, eine zweitägige Wanderung nach Xanten, ist ihr in schmerzvoller Erinnerung geblieben.

In Gewandung

Nichtsdestotrotz ist „Wandern in Gewandung“ eine beliebte Freizeitbeschäftigung der Gruppe. Schließlich lässt sich hier mittelalterliche Lebensrealität ziemlich hautnah erfahren, eine Chance, die man auch der interessierten Journalistin nicht vorenthalten will – also werde ich eingekleidet: Leinenes Unterkleid, wollenes Oberkleid, Kopftuch, Schleier. Genähte Strümpfe in meiner Größe gibt es gerade nicht, also darf ich mit gepolsterten Wandersocken in das mittelalterliche Schuhwerk mit den dünnen, profillosen Sohlen schlüpfen.

Ein neues Fußgefühl

Die ersten 200 Meter unserer Wanderung in der Hohen Mark zwischen Wulfen und Haltern führen entlang der Landstraße über Asphalt. „Wir wollten dir die Erfahrung nicht vorenthalten, wie es ist, mit diesem Schuhwerk über Asphalt zu laufen“, sagt Oliver grinsend, als wir den Wald erreichen. „Wenn diese Schuhe richtig rekonstruiert sind, dann kann es im Mittelalter kaum gepflasterte Straßen gegeben haben, das hätte ja keiner ausgehalten“, meine ich. Janna bestätigt meine Vermutung: „Die Straßen mittelalterlicher Städte bestanden meist aus festgestampfter Erde – und wenn es regnete aus Schlamm.“

Kaum im Wald angekommen, beginne ich die Gewandung inklusive Schuhe richtig zu genießen. Die Füße haben Kontakt zum federnden Waldboden, das Wollkleid zeigt bei etwa 23°C erstaunlich gute Trageeigenschaften und wider Erwarten fühlt sich mein weißer Schleier gar nicht wie ein Störenfried an. ...