Mit Zelt, Kocher und Schlafsack im Rucksack wandern, draußen schlafen und am nächsten Morgen weiter ziehen. Diese Vorstellung fasziniert mich schon lange. Ich sehe es ganz klar vor mir und bereits beim Gedanken daran, steigt ein ganz anderes Lebensgefühl in mir auf, das ich nur mit Worten wie Aufbruch, Draußensein und Freiheit verbinden kann. Meiner Kollegin Ricarda geht es zum Glück genauso. Als wir von den Naturlagerplätzen in der Eifel erfahren, nimmt unsere Vorstellung schnell konkretere Formen an und wir planen unsere erste Trekkingtour in die Eifel. 

 

Mittlerweile gibt es im Naturpark Nordeifel sechs Naturlagerplätze, auch Trekkingplätze genannt, im Wald versteckt. Sie erlauben es Wanderern, auf einer hölzernen Plattform im Wald zu zelten. Das ist in Deutschland außerhalb dieser Naturlagerplätze nämlich verboten. Auf die Holzplattform passen maximal zwei Zelte. Das gefällt uns, denn so wissen wir, dass wir nur einen Nachbarn haben, also hoffentlich nette Gesellschaft, aber auch viel Ruhe, um das Draußensein zu genießen.

Tipp: Rechtzeitig reservieren! Die Plätze in der Eifel sind sehr beliebt. Wer die Plattform für sich alleine haben möchte, reserviert einfach beide Plätze auf der Plattform (10 Euro pro Zelt). Auf Grund der hohen Nachfrage sind weitere Plätze schon in Planung. 

Um dieses besondere Lebensgefühl zu erwecken, reicht eine Nacht nicht aus, finden wir. Zwei Nächte sollen es schon sein. Wir entscheiden uns für die beiden neuen Trekkingplätze im Naturpark Nordeifel. Sie liegen etwas weiter südlich als die anderen vier, die Ausgangspunkte für die Wanderung sind für uns aber noch immer erstaunlich gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Erstaunlich deshalb, weil die Eifel im positiven Sinne doch recht entlegen scheint, wenn man erst mal in ihr wandert.
 

Ruhe in der Eifel © Ricarda Große

Einen Gang runter schalten
Beide Trekkingplätze liegen an den Etappen eins und zwei des insgesamt 73 Kilometer langen Schneifelpfads von Kronenburg nach Birresborn. Der Schneifelpfad, benannt nach dem Gebirgszug der Schneifel, gehört zu den neuen Eifeler Muße-Pfaden. Deren Motto nehmen wir uns zu Herzen: „Lass dir Zeit, schalte einen Gang runter, und komm zu Dir!“ An drei Tagen wandern wir insgesamt ca. 30 Kilometer. Um das Wandern mit Gepäck auszuprobieren, ist ein kleineres Tagespensum am Anfang empfehlenswert. So haben wir außerdem genug Zeit, zwischendurch Pausen zu machen, an unserem Equipment herumzutüfteln und die Atmosphäre am Trekkingplatz zu genießen – und nebenbei ganz bei uns selbst zu sein.

Die ersten Kilometer mit 10-12 Kilogramm auf dem Rücken sind etwas ungewohnt, die erste Steigung nach dem Start in Kronenburg doppelt so anstrengend und wir schaukeln etwas von links nach rechts. Vor 50 Jahren setzten die ersten Menschen einen Fuß auf den Mond und wir sinnieren, wie es wäre, auf dem Mond zu wandern. Dort ist es egal, wie viele Kilos wir mit uns herumtragen. Trotzdem fühlt es sich gut an, alles was man benötigt, dabei zu haben. Zu zweit können wir uns das Zelt, die Schlafmatten, Schlafsäcke und Kochutensilien gut aufteilen. Wir betrachten dieses kleine Outdoor-Abenteuer insgesamt als eine neue Erfahrung und ein Training. Das Wetter spielt schon mal mit: Wir haben sonnige 24° C und freuen uns einfach, die nächsten drei Tage komplett draußen zu verbringen.

Auf dem Schneifelpfad wechseln sich die Wiesen und Waldstücke der Vulkaneifel ab. Wir haben sie gefühlt für uns allein, abgesehen von ein paar Waldarbeitern und zwei Wanderern begegnet uns auf dem Weg an sich niemand. Am frühen Nachmittag kurz hinter dem Örtchen Ormont machen wir eine kleine Pause am Waldrand. Typisch für die Eifel, breitet sich vor uns ein grüner Hügel bis zum Horizont aus. Ich lege mich ins Gras, um meinen Rücken zu strecken. Plumps fällt mein hochaufragender Trekkingrucksack neben mir ins Gras. Dann ist es still und nur das leise Säuseln des Windes ist zu hören. Hinter uns kommen zwei junge Männer aus dem Wald, ebenfalls schwer bepackt. Sie grüßen und verschwinden hinter dem Hügel Richtung Ormont. Wir wissen es zu diesem Zeitpunkt noch nicht, aber sie sind unsere Zeltnachbarn in den nächsten zwei Tagen und müssen in Ormont Wasser holen. Am Trekkingplatz selber gibt es kein Wasser und so haben wir uns pro Person drei Liter Wasser mitgenommen. Das muss bis zum Mittag des Folgetages reichen. Dann kommen wir an ein Gasthaus, die Blockhütte Schwarzer Mann.
 

Naturlagerplatz Birkenrausch © Ricarda Große

Birkenrausch
Bis zu unserem heutigen Schlafplatz ist es nicht mehr weit. Nach der Reservierung haben wir eine genaue Wegbeschreibung und GPS Koordinaten erhalten. Der Naturlagerplatz „Birkenrausch“ liegt etwas abseits des Schneifelpfades im Dickicht. Den Wanderweg zu verlassen und sich auf die Suche nach der Holzplattform zu machen, hat etwas von Abenteuer. Nach einigen hundert Metern auf zugewachsenen Pfaden liegt sie plötzlich vor uns, dicht umzingelt von einem Bruchwald aus Birken, fünf Meter weiter das Häuschen der Komposttoilette, die übrigens anders als Dixiklos kein bisschen riecht. Das erste Etappenziel ist für uns erreicht und wir beginnen damit unser Zelt aufzubauen. Noch haben wir Platz auf der Plattform. Etwas später kommen die beiden Wanderer an, denen wir kurz zuvor begegnet waren. Sie sind Studenten und trainieren hier in der Eifel für eine längere Trekkingtour in Schweden. Natürlich haben wir uns gleich einiges zu erzählen und tauschen uns über den Weg und unsere Ausrüstung aus.

Tipp: Einen Müllbeutel mitnehmen, z. B. das „Drecksackerl.“ 
Auch immer nützlich: Eine extra Schnur und Wäscheklammern.

Als beide Zelte stehen und die Schlafmatten aufgepustet sind, machen wir uns ans Kochen.  Heute Abend gibt es bei uns Couscous mit frischer Paprika und Gurke. Mit einem mediterranen Gewürzsalz aufgepeppt, schmeckt es ausgezeichnet. Eine neugierige Maus wuselt und springt zwischen den Wurzeln zu unseren Füßen herum. Sie scheint die Anwesenheit der Übernachtungsgäste schon gewohnt zu sein. Die Luft wird kühler und feuchter und wir verkriechen uns langsam in unsere Zelte. Wer weiß, wie viel Schlaf wir heute Nacht kriegen werden. Zu zweit in einem Zwei-Personen-Zelt ist es nicht gerade geräumig, die beiden Schlafmatten passen genau nebeneinander. Vor allem aber sind es die Geräusche, die uns nachts aufwecken. Etwas raschelt an der Zeltwand und tapert über das Holz der Plattform.
 

Ein Mußeplatz am Schneifelpfad © Ricarda Große

Der Morgen danach
Als wir am nächsten Morgen wach werden, ist es bereits hell und ein paar schmerzende Muskeln am Rücken lassen uns aus dem Zelt kriechen. Nach ein paar Schritten um das Zelt fühlen wir uns schon wieder besser. Unsere Nachbarn stellen derweil fest, dass irgendein Nagetier mehrere Löcher in die Seitentasche ihrer Rucksäcke genagt hat. Auch an einer unserer Trinkflaschen, die wie die Rucksäcke unter dem Vordach des Zeltes lagen, wurde der Silikondeckel angeknabbert. Wir können uns jedoch kaum darüber ärgern, vielmehr lächeln wir bei der Erkenntnis, dass wir eben in der Natur oder vielleicht sogar ein bisschen in der Wildnis sind – übersieht man einmal die Windräder auf dem nächsten Feld.

Die etwas feuchte Zeltwand trocknet in der allmählich wärmer werdenden Luft, und wir kochen Wasser für Haferflocken und Tee. Auch wenn wir bei 10° C in der Nacht nicht gefroren haben, tut das warme Getränk unglaublich gut. Unsere beiden Nachbarn wollen für ihr Training einige Kilometer mehr schaffen und brechen rasch auf. Wir haben jedoch dasselbe Ziel. Heute Abend sehen wir uns am Naturlagerplatz „Abgetaucht“ wieder. In Ruhe sortieren wir uns und die Rucksäcke für die nächste Tagesetappe. Das braucht natürlich alles etwas mehr Zeit als zuhause, aber als wir unsere Rucksäcke aufschnallen und die ersten Schritte machen, kommt uns das Gewicht schon gar nicht mehr seltsam vor. Wir sind entspannt und freuen uns auf den Tag.

Bis zum nächsten Schlafplatz geht es wieder ca. 10 km rauf und runter auf dem Schneifelpfad durch den Wald. Kurz nach unserem Aufbruch erreichen wir einen der sogenannten Mußeplätze, die entlang der Muße-Pfade zum Verweilen einladen. Hier versteckt im Wald ist es ein großer Teich. Ich stehe am Wasser und bewundere die Seerosen. Ganz friedlich und ruhig liegen sie auf der tief blauen Wasseroberfläche. Ricarda steht etwas weiter hinter mir, als über ihr plötzlich ein großer Greifvogel aufschreckt und mit lautem Flügelschlag seinen Tannenast verlässt. Im selben Moment rauscht ein rundliches graues Etwas durch die Äste nach unten und schlägt mit einem dumpfen Geräusch einen Meter neben Ricarda auf dem Boden auf. Vor Schreck halte ich mir die Hand vor den offenen Mund und muss gleichzeitig laut lachen, als ich erkenne, was da neben ihr auf dem Boden liegt. Fast wäre sie von einem Taubenkadaver ohne Kopf getroffen worden! Noch etwas entgeistert steht sie neben der Taube und ich trete vorsichtig näher, um mich zu vergewissern, dass ich richtig gesehen habe. Etwas makaber ist es schon, aber wir hoffen, dass der Greifvogel später zu seinem Frühstück zurückkehrt und gehen weiter.

Der Trekkingplatz Abgetaucht © Svenja Walter

Abgetaucht
Nach ca. 10 km biegen wir an einer Weggabelung wieder vom Schneifelpfad ab. Wie auf unserem Papier mit kleinen Bildern beschrieben, folgen wir einem Schotterweg weiter in den Wald hinein. Die GPS Koordinaten brauchen wir nicht. Mit etwas schweren Beinen stapfen wir einen weiteren Schneifelkamm hinauf, weiter durch den Wald bis wir auf einem Feldweg ankommen. Wir blicken über hügelige Kornfelder und Wiesen, in einem Tal liegen eine handvoll Höfe in der Abendsonne. Doch sie scheinen weit weg. Wir tauchen wieder ein in den Nadelwald und schon sehen wir das Holz des Toilettenhäuschens und dann die Holzplattform. Für einige Minuten sind wir hin und weg von unserem zweiten Schlafplatz mitten im lichten Tannenwald.

Es ist erst später Nachmittag, als wir mit dem Zeltaufbau beginnen– was auch sonst? Es scheint wie ein ganz natürliches Bedürfnis, nach der Ankunft zuerst das Zelt aufzustellen. Inzwischen sind einige dunklere Wolken aufgezogen und noch haben wir viel Platz auf der Plattform. Wir bemühen uns, das Außenzelt so gut zu spannen, wie es auf dem Holzboden geht. Dafür sind extra Metallringe an den Seitenkanten und auf der Mitte angebracht. Nach gut fünf Minuten steht das Zelt und wir sind zufrieden mit der Straffung der Plane. 17 Uhr – Feierabend. Dann treffen auch unsere Nachbarn ein. Wir setzen uns auf die angebaute Bank mit Tisch, um nicht im Weg herumzustehen, während sie ihre Zeltstangen zusammenstecken. Beim Trekking kommt man so leicht mit Menschen ins Gespräch. Kein erzwungener Smalltalk, jeder hat etwas vom Tag zu erzählen. Währenddessen ist jeder irgendwie beschäftigt, sei es nur zum x-ten Mal im Rucksack nach etwas zu kramen, von dem man dachte, man bräuchte es nicht mehr oder sei es das Entfernen von zwei kleinen Zecken, die sich hartnäckig an meiner Haut festgebissen haben. Auch das gehört zu einem Outdoor-Abenteuer dazu. Ricarda hat zum Glück an alles gedacht und einen Zeckenhaken eingepackt. 

Unsere Outdoorküche © Svenja Walter

Nichts fühlt sich erzwungen an, höchstens notwendig. Es gibt auch keine Routine und das macht ein Outdoor-Abenteuer aus. Wenn wir mal nach der Uhrzeit schauen, stellen wir im gleichen Moment fest, dass sie für uns gerade keinerlei Bedeutung hat. Nur morgen Nachmittag müssen wir bis spätestens 16:05 Uhr in Prüm sein, um rechtzeitig zum Bahnhof zu kommen. Doch das ist erst morgen und 9 Kilometer weiter. Jetzt, vor dem Schlafengehen, sitzen wir vor unserem Zelt auf der Plattform, lassen die Beine baumeln und schauen noch lange in den Wald hinein. Inzwischen hat keiner mehr das Bedürfnis, noch etwas zu sagen. Goldene Lichtstrahlen fallen durch die Äste und setzen fast minütlich einen anderen Ausschnitt des Waldes in Szene.

 


Der Westwall bei Ormont © Ricarda Große

Der Schneifelpfad wird auch Weg des Friedens genannt und führt durch die schöne Natur und bewegte Geschichte der Eifel. Zur Zeit des Zweiten Weltkriegs war sie ein streng bewachtes Grenzgebiet. Davon zeugen Bunkerruinen und Überreste des Westwalls mit seinen Betonhöckern zur Panzerabwehr. Heute laden sogenannte Mußeplätze ein, am Wegesrand innezuhalten. Sie zeigen den Kontrast zwischen Mensch und Natur sowie Krieg und Frieden. Infotafeln erzählen von der Geschichte und den Ereignissen. Besonders eindrucksvoll ist der Explosions-Krater am Kalvarienberg bei Prüm und dessen Mahnmal.  

Vielen Dank an den Nordeifel Tourismus, der uns für zwei Nächte einen Zeltplatz reserviert hat!     

Info: www.trekking-eifel.de
         www.nordeifel-tourismus.de